Unsere Vorschläge für den Freiburger Beteiligungshaushalt
Es ist Zeit, die Grundidee der Demokratie ins Zentrum zu stellen: demokratischen Dialog! Ob Demokratien wie die deutsche und europäische auch als solche empfunden werden und ob es Ihnen gelingt, Strahlkraft, Überzeugungskraft und Identifikation zu entwickeln, hängt davon ab, inwieweit es den Gesellschaften gelingt, die Grundidee stark und lebendig zu halten: demokratischen Dialog!
Demokratischer Dialog ist:
Divers: Demokratischer Dialog schließt keine substanziellen gesellschaftlichen Gruppen und Perspektiven aus oder findet hinter verschlossenen Türen statt. Demokratischer Dialog bindet alle gesellschaftlichen Gruppen und Perspektiven mit ein.
Fundiert: Demokratischer Dialog findet nicht, wie oft im Internet und in sozialen Netzwerken, in Sekundenschnelle, ohne Zeit zur Reflexion, oder gar nur auf Basis von Gerüchten und Fake-News statt. Demokratischer Dialog ist gut informiert, steht auf der Basis von Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen und nimmt sich Zeit für eine fundierte Auseinandersetzung, Diskussion und Reflexion.
Konstruktiv: Demokratischer Dialog verträgt keine Hetze, Polemik oder Sonntagsreden. Demokratischer Dialog soll gedankliche Veränderung und persönliche Verständigung erzeugen. Darum ist demokratischer Dialog ernst gemeint und konstruktiv, darum hört demokratischer Dialog zu und streitet gleichzeitig engagiert für seine Positionen.
Entscheidend: Demokratischer Dialog wird durch Sandkastenspiele, Pseudobeteiligung und Belanglosigkeit in seiner Glaubwürdigkeit untergraben. Demokratischer Dialog verändert und beeinflusst darum konkrete Entscheidungen und gemeinschaftliches Handeln.
Sonst ist es kein demokratischer Dialog. Demokratie beginnt hier und jetzt! Jeden Tag
AllWeDo war 2019 bis 2021 an verschiedenen Losbürger*innen-Räten intensiv beteiligt: in Freiburger in der Dialoggruppe Dietenbach, in Baden-Württemberg im Bürgerforum Corona und dem Forum Zivilgesellschaft Corona, sowie in Deutschland in dem von Herrn Schäuble und dem Ältestenrat des Bundestages initiierten Bürger*innen-Rat zu Deutschlands Rolle in der Welt.
Wir haben diese Losbürger*innen-Räte begleitet, in Teilen persönlich moderiert und alle Erfahrungen und Evaluationen umfassend ausgewertet. Auf dieser Basis möchten wir gerne im Folgenden konkrete Ideen und Anregungen in den Prozess zur Weiterentwicklung des Freiburger Beteiligungshaushaltes einbringen, damit dieser die größtmögliche demokratische Wirkung entfalten kann. Für besonders erfolgsentscheidend halten wir die Punkte 1 und 2, sowie 3a und 4a:
1. Neutrale Prozessgestaltung sicherstellen: Damit der Prozess Raum für offene demokratische Meinungsbildung bieten kann, sollte er die größtmögliche Neutralität und Unabhängigkeit von einzelnen inhaltlichen Positionierungen sicherstellen. Da das Ergebnis durch Prozessgestaltung stark beeinflusst werden kann, sollte diese neutral, unabhängig und plural sein
a. Die Leitung des Losbürger*innen-Rates in der Stadtverwaltung sollte in der Prozessgestaltung unabhängig (und nicht weisungsgebunden) von der inhaltlich involvierten Stelle sein, die den Haushalt vorschlägt und entwickelt.
b. Es sollte ein plurales Begleitgremium für die Prozessgestaltung geben, in dem neben Stadtverwaltung auch Gemeinderät*innen und zivilgesellschaftliche Akteure eingebunden sind.
c. Ziel, Vorgehensweise und Rahmen des Prozesses sollten von Anfang an für alle Teilnehmenden transparent sein.
2. Einfluss auf Haushalts-Entscheidungen stärken: Durch intelligente Prozessgestaltung sollte die Chance möglichst hoch sein, dass die Losbürger*innen die späteren Haushaltsentscheidungen tatsächlich beeinflussen können.
a. Die Losbürger*innen sollten zu Beginn der Haushaltsaufstellung von der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat jeweils bei 1-2 Kernfragen des Haushalts um Beratung und zu 2-3 konkreten offenen Entscheidungsfragen zu einem Entscheidungsvorschlag befragt werden.
b. Die Stadtverwaltung sollte die Empfehlungen der Losbürger*innen entweder in den Haushaltsentwurf einbauen oder direkt einen dementsprechenden Veränderungs-Antrag den Gemeinderät*innen zur Entscheidung vorlegen.
c. Gemeinderät*innen sollten punktuell in einen persönlichen Dialog mit den Losbürger*innen einbezogen werden.
d. Nach der Haushaltsverabschiedung sollte im Rahmen eines finalen Dialogs eine Rückmeldung an die Losbürger*innen erfolgen, wie mit den Empfehlungen umgegangen wurde.
3. Diversen Expert*inneninput anbieten: Der Input der Expert*innen ist ein wesentlicher Input für die demokratische Meinungsbildung und damit die Empfehlungen der Bürger*innen. Daher sollte dieser möglichst divers sein.
a. Expert*innen-Input und Vorträge sollten nicht nur von der Verwaltung, sondern auch von anderen unabhängigen Expert*innen eingebracht werden.
b. Die Los-Bürger*innen sollten im Optimalfall auch selbst Einfluss auf die Expert*innen-Auswahl nehmen können.
c. Es sollte Wert darauf gelegt werden, dass der Expert*innen-Input möglichst einfach und für alle Teilnehmenden gut verständlich formuliert und dargestellt wird.
4. Repräsentative Losbürger*innen einbeziehen: Damit die Losbürger*innen als repräsentativ wahrgenommen werden müssen sie die Stadtgesellschaft stark und divers abbilden. Daher:
a. Die Anzahl der Losbürger*innen sollte insbesondere zu Beginn des Prozesses nicht zu klein gewählt werden, damit auch bei späteren Terminen noch eine ausreichend starke Anzahl vertreten ist. Hierzu empfehlen wir mit mindestens 50 Losbürger*innen zu starten.
b. Die repräsentative Beteiligung könnte erhöht werden - über aufsuchende (ggf. telefonische) Einladung sowie eine transparente, weitergehende Auswahl nach repräsentativ verteilten zentralen Ausgangsmeinungen - neben den üblichen demographischen Faktoren.
5. Öffentliche Wahrnehmung stärken: Ein Demokratiepilot kann nur dann gesellschaftliche Wirkung entfalten, wenn er wahrgenommen wird. Daher sollte die Öffentlichkeit gezielt eingebunden werden:
a. Die Inputs der Expert*innen und wesentliche Erkenntnisse der Losbürger*innen sollten auf der Internet-Plattform des Beteiligungshaushaltes allen Bürger*innen ebenfalls zur Verfügung gestellt und ihre Empfehlungen zur Bewertung vorgelegt werden.
b. Im Optimalfall sollten Kooperationen mit lokalen Medien wie Amtsblatt, BZ oder SWR eingegangen werden.
c. Die Losbürger*innen könnten selbst über Design Thinking-Elemente als Multiplikator*innen wirken und in Interviews in ihrem Umfeld oder beispielsweise in Marktplatzgesprächen weitere Bürger*innen in den Dialog einbinden.